Spitzenvertreter*innen von 36 bundesweiten Gewerkschaften und Verbänden fordern in
einem gemeinsamen Aufruf die zügige Anhebung der Regelsätze in Hartz IV und
Altersgrundsicherung auf mindestens 600 Euro sowie sofortige zusätzliche Corona-Hilfen für
arme Menschen. Das Spektrum der Unterzeichnenden des Aufrufs “Soforthilfen für die
Armen – jetzt!!” reicht von Gewerkschaften, Sozial- und Wohlfahrtsverbänden, über Kultur,
Wohnen, Umwelt bis zu Selbsthilfe und Gesundheit. Eine derart breite zivilgesellschaftliche
Allianz für eine bedarfsgerechte, armutsfeste Anpassung der Regelsätze auf ein konkretes
Niveau gab es noch nie. Die bisherige politische Unterlassung, arme Menschen durch eine
auskömmliche Grundsicherung und effektive Corona-Hilfen zu entlasten, komme einem
“armutspolitischen Offenbarungseid” gleich, so die Kritik.
“Bereits im ersten Lockdown 2020 wurden für Bezieher*innen von Hartz IV und
Altersgrundsicherung keinerlei zusätzlichen Hilfen zur Verfügung gestellt, obwohl der
zusätzliche Bedarf durch wegfallende Schulessen, geschlossene Tafeln, steigende
Lebenshaltungskosten und insbesondere auch für Desinfektionsmittel und Masken
offensichtlich gegeben war. Laptops für das Homeschooling wurden versprochen, auf die die
Kinder vielfach noch heute warten. Umso unverständlicher ist dies, als zugleich hohe
Milliardenbeträge zur Bekämpfung der wirtschaftlichen Folgen der Pandemie zur Verfügung
gestellt wurden”, heißt es in dem Aufruf. Da sich die Hoffnung auf ein Ende der Corona-Krise
bis Jahresende 2020 nicht erfüllt habe und nicht absehbar sei, wie lange sich die anhaltende
Pandemie noch hinziehe, sei akuter Handlungsbedarf gegeben.
Die jüngste Ankündigung von Hubertus Heil, endlich einen Zuschuss für coronabedingte
Zusatz-Belastungen auf den Weg zu bringen, sei ein überfälliges und wichtiges Signal, doch
reiche angesichts der bitteren Not der Betroffenen bei weitem nicht aus. Der fortgesetzte
Lockdown und die bereits beschlossenen sowie die leider noch zu erwartenden
Einschränkungen belasten einkommensarme Haushalte erheblich, zusätzlich zu den schon
jetzt seit Monaten zu tragenden Mehrbelastungen. Die zum Januar 2021 vorgenommene
Anpassung der Regelsätze habe dabei keinerlei Abhilfe gebracht. “Getrogen hat die
Hoffnung, dass die Ärmsten spätestens mit der für 2021 anstehenden Anpassung der
Regelsätze endlich entlastet würden. Im Gegenteil: Entgegen dem Rat und der Expertise
aller Fachleute und von Gewerkschaften und Sozialverbänden erfolgte im Januar eine
Erhöhung um lediglich 14 Euro auf 446 Euro, was einem armutspolitischen Offenbarungseid
gleichkam”, heißt es in dem Aufruf weiter.
Die Unterzeichnenden appellieren an die Bundesregierung, endlich armutspolitisch aktiv zu
werden. Sie fordern für Bezieher*innen von Hartz IV und Grundsicherung für Alte und
Erwerbsgeminderte die bedarfsgerechte Anhebung der Regelsätze auf mindestens 600 Euro
sowie für die Dauer der Krise einen pauschalen Mehrbedarfszuschlag von 100 Euro.
Darüber hinaus sei die Finanzierung der Anschaffung eines internetfähigen Computers
sowie notwendiger Software für arme Schüler*innen als einmalige Leistung sicherzustellen.
Schließlich sei eine Erneuerung der Miet- und Kreditmoratorien dringend notwendig, um
Mieter*innen bei andauernder Pandemie vor Wohnungsverlust zu schützen.
Der Aufruf “Soforthilfen für die Armen – jetzt!! Solidarisch für sozialen Zusammenhalt
und gegen die Krise” ist unterzeichnet von: Marlis Tepe, Gewerkschaft Erziehung und
Wissenschaft / Frank Werneke, ver.di – Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft / Prof. Dr.
Jens Schubert, AWO Bundesverband e.V. / Dr. Ulrich Schneider, Der Paritätische
Wohlfahrtsverband Gesamtverband e.V. / Maria Loheide, Diakonie Deutschland –
Evangelisches Werk für Diakonie und Entwicklung e.V. / Adolf Bauer, Sozialverband
Deutschland e.V. / Verena Bentele, Sozialverband VdK e.V. / Susanna Karawanskij,
Volkssolidarität Bundesverband e.V. / Aron Schuster, Zentralwohlfahrtsstelle der
Juden in Deutschland e.V. / Christian Molke, ADRA Deutschland e.V. / Volkmar
Proschwitz, Advent Wohlfahrtswerk e.V. / Georg Grohmann, BAG Streetwork/ Mobile
Jugendarbeit e.V. / Olaf Bandt, Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland/
Friends of the Earth Germany / Georg Roth, Bundesinteressenvertretung schwuler
Senioren (BISS e.V.) / Benjamin Andrae, Bundesverband anthroposophisches
Sozialwesen e.V. / Birgit Görres, Dachverband Gemeindepsychiatrie e.V. / Dr.
Klaus-Dieter Warz, DEUTSCHE DIABETES FÖDERATION e.V. / Wolfgang Schreck und
Oliver Kunz, Deutsche Gesellschaft für Verhaltenstherapie (DGVT) e.V. / Christel
Achberger, Deutsche Gesellschaft für Soziale Psychiatrie e.V. / Herbert Temmes,
Deutsche Multiple Sklerose Gesellschaft, Bundesverband e.V. / Prof. Christel Bienstein,
Deutscher Berufsverband für Pflegeberufe – DBfK Bundesverband e.V. / Heinz Hilgers,
Deutscher Kinderschutzbund Bundesverband e.V. / Olaf Zimmermann, Deutscher
Kulturrat e.V. / Dr. Melanie Weber-Moritz, Deutscher Mieterbund e.V. / Gunter Erbe,
Deutscher Wohlfahrtsverband für Gehör- und Sprachgeschädigte GSW e.V. / Holger
Hofmann, Deutsches Kinderhilfswerk e.V. / Martin Rücker, foodwatch e.V. / Andreas
Luttmer-Bensmann, Katholische Arbeitnehmer-Bewegung (KAB) / Uwe Hiksch,
NaturFreunde Deutschlands / Uwe Weppler, PARITÄTisches Bildungswerk
Bundesverband e.V. / Carmen Thiele, PFAD Bundesverband der Pflege- und
Adoptivfamilien e.V. / Helena Steinhaus, Sanktionsfrei e.V. / Annegret Gabelin,
Sozialwerk des dfb (Dachverband) e.V. / Jochen Brühl, Tafel Deutschland e.V. / Heiko
Frost, Verband Deutscher Schullandheime e.V. / Britta Altenkamp, Zukunftsforum
Familie e.V.